«Ich mache ziemlich viel anders» (AZ)

Der neue Domino-Präsident über seinen Vorgänger und das erste Jahr im Amt.

In November 2020 übergab Peter Müller symbolisch das Zepter an Philipp Küng. Was sich seither in der Stiftung für Menschen mit Assistenzbedarf in der Region Brugg geändert hat und wie es um das neue Wohnhaus Romeo in Hausen steht.

Bild von Philipp Küng vor einer Werkzeugwand

Menschen mit Beeinträchtigung waren für Philipp Küng noch nie etwas Aussergewöhnliches. Seine Kindheit verbrachte er im Windischer Quartier ganz in der nähe des Tannenwegs. Der heute 57-Jährige erzählt:

«Die Heilpädagogische Schule war unser Spielplatz».

Die HPS und ihre Schüler seien Teil des Alltags gewesen.

In den 70er-Jahren bekam Küng dann einen neuen Nachbarn, der ihm das Thema noch Näher brachte: Peter Müller. Dieser waltete ab 1980 als Ratspräsident der Stiftung Domino, die Arbeits- und Wohnplätze für Menschen mit Behinderung bietet. Dass Küng über 40 Jahre später von ihm das Amt übernehmen würde, stand damals in den Sternen.

Bild Wohnhaus Domin von Aussen

Zuerst einmal hat sich der studierte Jurist «ins Ausland» aufgemacht: «Ich lebte 15 Jahre in Brugg und Baden.» Nach Windisch zurückgekehrt sei er aus ganz praktischen Gründen. Das zweite Kind war auf dem Weg, das Paar suchte nach einer neuen, grösseren Wohngelegenheit. In Windisch begegnete er Peter Müller wieder.

«Bei einem Schwatz unter Nachbarn erzählte er mir, dass er sein Amt gerne übergeben würde», erinnert sich Küng. Wenig später wurde es ernst: Müller fragte den Juristen an, ob er interessiert sei, das Präsidium des Stiftungsrats zu übernehmen. Küng entschied sich nicht gleich: «Ich wollte zuerst klären, was von mir erwartet wird, und die Beteiligten kennen lernen.» Überzeugungsarbeit habe aber keine geleistet werden müssen.

Stiftungsrat soll um mindestens zehn Mitglieder schrumpfen

Bald ist Philipp Küng 365 Tage im Amt. Auf die Frage, wie der die erste Zeit erlebt hat, sagt er: «Einerseits war das Jahr spannend aufgrund der Projekte, die wir hatten. Andererseits auch ruhig, weil vieles coronabedingt nicht stattfand.» Die Pandemie habe man glücklicherweise «recht glimpflich» überstanden, die Institution kämpfte nur mit wenigen Ansteckungsfällen.

Der Stiftungsrat fügt an:

«Wir halten uns strikt an die Vorgaben des BAG und des Kantons. Und die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Leute in der Werkstatt und in den Ateliers machen sehr gut mit.»

Die Impfquote in den Häusern liege bei einem guten Prozentsatz.

Intern beschäftigte die Stiftung Domino vor allem andere Themen – insbesondere die Einführung des neuen Assistenzkonzepts. Dieses orientiert sich stärker an dem UNO-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung und unterstreicht die Unterstützungshaltung.

Stark im Fokus des letzten Jahres lag laut Küng zudem die Neuorganisation der strategischen Führungsebene. Ab der Amtsperiode 2022 wird die neunköpfige Betriebskommission wegfallen. Auch der Stiftungsrat erhält eine Reduktion der Mitglieder von aktuell 19 auf 7 bis 9.

Bild Mikado von Aussen

Dadurch soll die Organisation schlanker und effizienter werden, wie der Präsident erklärt:

«Die Betriebskommission braucht es in der neuen Organisation nicht mehr. Fällt sie weg, werden Doppelspurigkeiten vermieden.»

Bis Dezenber sollen die Organisation Insieme Region Brugg-Windisch, die Gemeinden Hausen und Windisch sowie die Stadt Brugg die Wahlvorschläge des Domino bestätigen.

Zukünftig ist wiederum, so verrät Küng, die Einführung eines neuen Beirats mit 10 bis 15 Mitgliedern angedacht. «Dieser wird eine beratende Funktion übernehmen und sich aus Vertretern verschiedener Branchen und Interessensgruppen zusammensetzen.» Möglich wären etwa Personen aus dem Umfeld der HPS oder aus der Wirtschaft. Detaillierter befasse sich der Stiftungsrat mit der Mitgliederwahl im neuen Jahr.

«Das Romeo ist ein rechter Hosenlupf»

Am meisten beschäftigt, so antwortet Philipp Küng auf die entsprechende Frage, habe ihn in seiner ersten Amtszeit der Bau des Wohnhauses Romeo. Nach mehrjähriger Verzögerung ging das gut 13 Mio. Franken teure Projekt im Herbst 2020 in die Realisierung.

Dabei entstehen 25 betreute Wohn- und 22 Atelierplätze. Dazu kommt ein temporärer Wohnplatz, beispielsweise als Familienentlastung. Sämtliche Kosten werden durch den Kanton über den Tarif refinanziert, abgesehen von der Fotovoltaikanlage. Diese wird durch die Stiftung selbst finanziert.

Aktuell laufe es gut mit dem Bau des Gebäudes, sagt Philipp Küng:

«Wir sind fast auf den Tag genau im Zeitplan.»

Dies sei bei so einem grossen Vorhaben nicht selbstverständlich, besonders nicht in Anbetracht der pandemiebedingten Ressourcenknappheit. «Glücklicherweise ist das Material da.»

Reklamationen wegen Lärm habe man nur wenige bekommen. Man sei angewiesen auf das Verständnis der Leute, und der Austausch mit den Betroffenen erweise sich als essenziell. Gute Kommunikation nach innen und aussen ist Küng bei seiner Arbeit besonders wichtig:

«Ich sage immer, reden hilft.»

Für das Umfeld der Baustelle hat der Stiftungsratspräsident schon eine gute Nachricht: «Weil jetzt die Innenräume anstehen, werden die Emissionen immer weniger.» Natürlich seien die Nachbarn auch zu den Feierlichkeiten rund um die Eröffnung eingeladen. Stand heute soll diese im Juni 2022 stattfinden.

Bild Baustelle Romeo

Weitere grosse Bauprojekte plant die Stiftung Domino bis aus weiteres nicht. «Das Romeo ist ein rechter Hosenlupf», sagt Küng. Man müsse sich den Bedürfnissen entsprechend entwickeln. Zuzeit decke das Angebot die Nachfrage gut ab.

Seit über 40 Jahren spielt Philipp Küng Bassgitarre

Neben seiner ehrenamtlichen Tätigkeit fürs Domino ist Philipp Küng Leiter Versicherung bei der Migros-Pensionskasse in Schlieren. Seit zwei Jahren erfüllt er dort ein 100-Prozent-Pensum. Der zweifache Familienvater fügt mit einem Schmunzeln an:

«Lange habe ich Teilzeit gearbeitet, um die Kinder zu betreuen. Früher waren sie froh, wenn wir Eltern zu Hause waren, heute ist es umgekehrt. Da dachte ich, ich könnte auch wieder aufstocken.»

Der Einsatz in der Stiftung lasse sich gut mit dem Job vereinbaren. Manchmal findet Küng sogar Zeit für sein Hobby: Seit über 40 Jahren spielt der Windischer Bassgitarre.

40 Jahre lang waltete auch der ehemalige Domino-Präsident Peter Müller in der Stiftung. Was Küng anders macht als sein Vorgänger? «Ziemlich viel», sagt der 57-Jährige. «Peter Müller war quasi Mister Domino und stark in der Institution präsent. Für mich war klar, dass ich nicht das gleiche zeitliche Engagement einsetzen kann.»

Bild von Peter Müller

Küng steht zudem noch ganz am Anfang seiner Aufgabe, verfügt nicht über das Wissen des ehemaligen Präsidenten:

«Die Fussstapfen, die Peter Müller hinterlassen hat, sind gross, und ich werde sie wohl nicht ganz ausfüllen können.»

Zwischen dem alten und dem neuen Amtsinhaber gibt es jedoch auch einige Parallelen: Etwa absolvierten beide das Jurastudium an der Universität Zürich. «Ich war ein Überzeugungsstuden», sagt Küng. «Es hat mich einfach interessiert.» Heute noch schätzt er die breitgefächerte Ausbildung, auch wenn das Fachwissen daraus nur noch in wenigen Teilen seiner Arbeit zum Einsatz komme.

Zudem teilen Küng und Müller eine wichtige Grundhaltung für das Amt: «Wir haben beide durch unser Umfeld Verständnis und die Sensibilisierung für die Themen des Domino.»

https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/brugg/bruggwindisch-ich-mache-ziemlich-viel-anders-der-neue-domino-praesident-ueber-seinen-vorgaenger-und-die-ersten-365-tage-im-amt-ld.2210434?reduced=true